Schlagwort-Archive: Untersuchungshaft

Tod im Knast

(Auch) im Falle von Suizidalität regeln die §§ 49 – 53 SächsUntersuchungshaftVollzG die erforderlichen besonderen Sicherungsmaßnahmen, etwa Wegnahme von Gürtel pp bis hin zur Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum (bgH), in dem es nahezu ausgeschlossen ist, sich selbst zu töten. Äußerstenfalls ist die Videoüberwachung möglich. Der Tod im Knast ist um jeden Preis zu vermeiden. Dass die Strafverfolgungsbehörden in  Sachsen versagt haben, ist offensichtlich. Aber die Ermittlungen wurden vom Generalbundesanwalt geführt. Auch dort wird man sich nicht aus der Verantwortung stehlen können.

Kachelmann draußen

Mit meiner Prognose vom 29.06.10, daß Kachelmann vor Ende der WM wieder „draußen“ ist, lag ich falsch. Er kam erst heute raus. Damit ich in Übung bleibe mit dem orakeln:

1. Am Ende der Hauptverhandlung wird keine Verurteilung stehen.
Denn auch das Landgericht wird an der Erkenntnis des OLG nicht vorbeikommen, daß letztlich Aussage gegen Aussage steht und keine belastbaren Sachbeweise vorhanden sind. Es wird ein Freispruch zweiter Klasse werden, weil (ähnlich der vermaledeiten mündlichen Urteilsbegründung im „Pascal-Prozeß“ des Vorsitzenden des Schwurgerichts Saarbrücken) die „Unschuld Kachelmanns nicht bewiesen“ sein wird.

2. Die StA Mannheim wird dennoch gewonnen haben, wenn ihr Ziel war, Kachelmann jedenfalls unmöglich zu machen, wofür spricht, daß sie in ihren Presseerklärungen unter grober Missachtung der Persönlichkeitsrecht Kachelmanns Details aus Anklageschrift und Akteninhalt öffentlich gemacht hat.
Das wird ihm auf Dauer anhängen.

Untersuchungshaft bei Bagatellstraftaten von Ausländern

Eigentlich bezweckt die Einführung der Pflichtverteidigung bei vollzogener Untersuchungshaft eine Reduzierung der U-Haft-Fälle insgesamt. Der Richter soll angehalten sein, sich über deren Notwendigkeit verschärft Gedanken zu machen. Kürzlich nahm ein Amtsgericht im Odenwald einen Albaner in Haft, weil der einen falschen italienischen Paß verwendet und gegen das Aufenthaltsgesetz verstoßen hatte und über keinen festen Wohnsitz in Deutschland verfügte. Ein anderer Richter, zuständig kraft Verordnung als Ermittlungsrichter des Bezirksschöffengerichts, bestellte dem Inhaftierten sogleich einen Pflichtverteidiger. Hiervon erfuhr der nach Anklageerhebung zuständige Strafrichter im Odenwald nichts und bestellte als Pflichtverteidigerin die Wahlverteidigerin, die sich inzwischen für den Angeschuldigten gemeldet und dies beantragt hatte. In der seit der Inhaftierung nach 51 Tagen stattfindenden Hauptverhandlung, die keine zwanzig Minuten dauerte, hatte der Angeklagte nun zwei Pflichtverteidiger zur Seite. Er wurde zu einer Geldstrafe von 51 Tagessätzen verurteilt. Die Strafe ist durch die verbüßte U-Haft vollstreckt. Weiterlesen

Kassiber „pflichtgemäß“ weitergeleitet

Der Untersuchungsgefangene hatte 20 Briefe an seinen Pflichtverteidiger geschrieben. Nachdem keiner beantwortet worden war und der Pflichtverteidiger ihn auch drei Monate lang nicht in der U-Haft besucht hatte, beantragte der Untersuchungsgefangene die Entpflichtung. In seiner Stellungnahme erklärte der Pflichtverteidiger, ein Großteil der Briefe sei gar nicht für ihn sondern für die Mutter und die Lebensgefährtin seines Mandanten bestimmt gewesen. Und die habe er selbstverständlich „pflichtgemäß“ weitergeleitet.
Schlußfolgerung: auf § 115 OWiG sollte in der Referendarausbildung auch mal gelegentlich hingewiesen werden.

Nochmals: Pflichtverteidigung bei Untersuchungshaft

Ich hatte am 3.7.09 darüber berichtet, daß das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts insoweit in den Vermittlungsausschuß überwiesen worden war, als durch den neuen § 140 I Nr. 4 StPO bei vollstreckter U-Haft ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt.  Jetzt ist die Regelung Gesetz geworden (BGBl. I 2009, 2277) und tritt am 1.1.2010 in Kraft. Für die Entscheidung zuständig ist der Haftrichter. Die Regelung, wonach der Pflichtverteidiger aus der Zahl derim Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwälte zu bestimmen ist (§ 142 I StPO) entfällt bereits am 1.9.09 (BGBl. I 2009, 2081).
In Zukunft wird verstärkt darauf zu achten sein, daß der Haftrichter eine ordnungsgemäße Auswahl trifft und nicht willfährige Anwälte und/oder Kumpels bevorzugt „bedient“, sondern solche auswählt, die zur Verteidigung des Beschuldigten willens und in der Lage sind.
Andernfalls wird die neue Regelung auch fiskalisch ein teurer „Spaß“, wenn die Beschuldigten, wie oft, die „Willfährigen/Kumpels“ mit fortschreitender Haft wieder loswerden wollen und wegen gestörtem Vertrauensverhältnis ein neuer Pflichtverteidiger beigeordnet werden muß.

Regelung:“bei Untersuchungshaft sofort Pflichtverteidiger“ im Vermittlungsausschuß

Der Bundestag hat eine Änderung der §§ 140, 141 StPO beschlossen. Danach ist dem Beschuldigten sogleich mit Vollzug der Untersuchungshaft ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Bisher war dies erst der Fall, wenn die Haft mindestens 3 Monate angedauert hatte und der Betroffene nicht mindestens 2 Wochen vor der Hauptverhandlung aus der Haft entlassen worden war.
Die Neuregelung befindet sich derzeit im Vermittlungsausschuß, nachdem im Bundesrat fiskalische Bedenken erhoben worden sind. Angesichts der nahenden Endes der Gesetzgebungsperiode wird das Inkrafttreten der Regelung zweifelhaft.

BVerfG: keine Entkleidung und Intimbereichsuntersuchung bei U-Haft

Der Pflichtverteidiger

Er ist kein Strafverteidiger zweiter Klasse, zumindest dann, wenn man ihn sich selbst ausgesucht hat. In gravierenden Fällen schreibt das Gesetz den Verteidiger vor. Bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht; bei Verbrechen (Straftaten mit Mindeststrafe von 1 Jahr); wenn mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr zu rechnen ist; in bestimmten Fällen, bei denen Untersuchungshaft vollzogen wird; wenn sonst ein schwerwiegender Grund vorliegt, z.B. in größerem Umfang Bewährungswiderruf zu befürchten ist. Der Anwalt, den man sich ausgesucht hat, kann dann Pflichtverteidiger werden, was praktisch nur bedeutet, daß dieser seine Kosten bei der Staatskasse abrechnen kann.

Zu warnen ist vor Pflichtverteidigern, die vom Gericht ausgesucht wurden. Ist nämlich ein Verteidiger vorgeschrieben, fragt das Gericht an, welchen Anwalt man haben will. Der kann von überall her sein, muß also nicht dort seinen Sitz haben, wo das Gericht ist, wenn zu diesem Anwalt bereits ein Vertrauensverhältnis besteht. Reagiert man auf die Anfrage des Gerichts nicht, sucht der Richter einem den Anwalt aus. Ob er dabei denjenigen nimmt, der für einen selbst der Beste ist oder eher denjenigen, mit dem er gut auskommt und der ihm wenig Arbeit und Schwierigkeiten macht, kann sich jeder selbst beantworten.