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Richtervorbehaltsdämmerung bei der Blutprobe

Nachdem die Strafverfolger den Richtervorbehalt in § 81a StPO beharrlich ignoriert hatten und seine Befolgung vom BVerfG (zuletzt NJW 2010, 2864) eingefordert werden mußte, hat sich die Praxis damit zwar abgefunden, erhebt nun aber an den Gesetzgeber die Forderung, den Richtervorbehalt einfach zu streichen (so RiOLG Dr. Jens Peglau, NJW 2010, 2850 (2852). Es handele sich um einen „minimale(n) körperliche(n) Eingriff“ (a.a.O.), der keines Richtervorbehaltes bedürfe.

Nachtrag vom 08.10.10: Burhoff hat den Begriff der Richtervorbehaltsdämmerung aufgenommen und hierzu in Bezug auf eine niedersächsiche Gesetzesinitiative berichtet.

Freispruch vom Vorwurf der Drogenfahrt

Dem Betroffenen war am 3.9.2010 vor dem Amtsgericht Darmstadt vorgeworfen worden, unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt zu haben. Er war in eine allgemeine Verkehrskontrolle geraten und dem Polizeibeamtin schien er unter Drogeneinfluss zu stehen. Es war ein ganz gewöhnlicher Dienstag um 10:00 Uhr morgens mitten in Darmstadt. Der Polizeibeamte ordnete eine Blutprobe an. Diese wurde vom Arzt entnommen, gerichtsmedizinisch untersucht mit dem den Verdacht des Polizeibeamten bestätigenden Ergebnis. Das Regierungspräsidium Kassel erließ einen Bußgeldbescheid mit einem Bußgeld über 550 € und einem Fahrverbot. In der Hauptverhandlung nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wurde der die Blutprobe anordnende Polizeibeamte vernommen. Über die Notwendigkeit einer richterlichen Anordnung gemäß Paragraph 81a StPO hatte er sich keine Gedanken gemacht. Es habe Gefahr im Verzuge vorgelegen.
Der Verwertung der Blutprobe und des gerichtsmedizinischen Untersuchungsergebnisses wurde in der Hauptverhandlung widersprochen. Das Gericht sah sich an der Verwertung gehindert, weil der Betroffene weder mit der Blutprobe einverstanden gewesen war, noch Gefahr im Verzug vorgelegen habe und es im Hinblick auf die Tatzeit dem Polizeibeamten ein leichtes gewesen wäre, einen richterlichen Blutentnahmebeschluss zu erwirken. Der Betroffene wurde daher freigesprochen.

Verwertungsverbot bei polizeilicher Blutentnahmeanordnung (OLG Schleswig)

In dem vom Schleswig-Holsteinischen OLG entschiedenen Alltagsfall (StraFo 2010, 194) hatte die Polizeibeamtin bei einem Autofahrer so gegen 12.00 Uhr mittags, welchen Wochentags wird nicht mitgeteilt, den Verdacht, er habe sein Fahrzeug unter dem Einfluss von Drogen geführt. Sie wußte (wie jeder Polizist), daß eine Blutprobe nur von einem Richter angeordnet werden darf (§ 81a StPO), wenn nicht die Gefahr besteht, daß dann der Beweis verloren geht oder erheblich erschwert wird. Trotzdem veranlaßte sie die Blutentnahme durch einen Arzt, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, dies richterlich anordnen zu lassen. Weiterlesen

Präsident des AG: bei Blutprobe stets Gefahr im Verzuge

Es führt zu einem Verwertungsverbote der Blutprobe, wenn der diese anordnende Polizeibeamte sie aufgrund einer ihm von einem Richter erteilten generellen Befugnis veranlaßt (OLG Oldenburg-NJW 2009, 3591). Im entswchiedenen Fall hatte ein Amtsgerichtspräsident in einem Telefonat am 2.4.08 mit dem Polizeipräsidenten „eindringlich“ darauf hingewiesen, daß bei Blutproben stets, egal ob bei Tage oder in der Nacht, die Eilkompetenz der Polizei bestehe. Daran hielt sich die Polizei, woraufhin das OLG ein auf eine derartig zustande gekommene Blutprobe gestütztes Urteil aufhob und den Angeklagten freisprach.
(siehe auch meinen Beitrag vom 20.11.09)

Polizei hat Richtervorbehalt bei Blutprobe zu kennen

Bekanntlich hat das BVerfG (NJW 2008, 3053) auf die weithin rechtswidrige Praxis aufmerkam gemacht, wonach es dem Gesetze nach (§ 81a StPO) originäre Aufgabe des Richters ist, körperliche Untersuchungen und Blutproben des Beschuldigten anzuordnen. Nur bei Gefahr im Verzuge soll dies auch der Staatsanwaltschaft und der Polizei gestattet sein. In der Praxis ist dies bis zu dieser Entscheidung immer contra legem von der Polizei angeordnet worden. Ein Verstoß begründet nach der Entscheidung des BVerfG aber nur dann ein Beweisverwertungsverbot, wenn Gefahr im Verzug willkürlich angenommen wurde und bewußt die Verwirklichung des Richtervorbehalt  vereitelt worden ist.  Das war regelmäßig nicht der Fall.
Nun aber hat das KG Berlin entschieden, „daß mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur zitierten Entscheidung des BVerfG die Annahme, die anordnenden Polizeibeamten hätten in schlichter Unkenntnis ihrer Pflichten und daher nicht willkürlich gehandelt, nicht mehr ohne weiteres wird aufrechtzuerhalten sein wird“ (KG-NJW, 2009, 3527; NZV 2009, 571).

Blutprobe nur bei richterlicher Anordnung

Dies gilt gem. § 81a II StPO jedenfalls grundsätzlich. Nur bei Gefahr im Verzuge darf die Blutprobe auch durch einen Staatsanwalt oder Polizisten angeordnet werden. Allerdings muß dieser zuvor versucht haben, eine richterliche Anordnung zu erlangen. War dies nicht möglich, muß er die Gründe, weswegen er von Gefahr im Verzuge ausging, in der Ermittlungsakte dokumentieren.  Die Rechtsprechung nimmt ein Verwertungsverbot des Ergebnisses der Blutprobe nur dann an, wenn willkürlich gegen diese Regeln verstoßen und/oder ein besonders schwerwiegender Verfahrensfehler vorlag.  Jedenfalls setzt die Unverwertbarkeit immer einen Widerspruch gegen die Verwertung in der Hauptverhandlung voraus (BVerfG-NJW 2007, 1345; OLG-Hamburg-NJW 2008, 2597; LG Itzehoe-NJW 2008, 2601).