Archiv der Kategorie: blog verkehrsrecht

Der „Fachanwalt für Opferrechte“

Die Pressuregroup der Opferverbände, allen voran der „Weisse Ring“, haben in den letzten Jahren ganze Arbeit geleistet. Kaum eine Reformatio der StPO in den letzten Jahren ohne deren gefühlte Patenschaft.
Jetzt kommt auf deren Betreiben hin auch noch der Fachanwalt für Opferrechte als paarundzwanzigster Fachanwalt. Jedenfalls soll er in der nächsten Satzungsversammlung behandelt werden und chancenreich sein.
Das Leitbild des berufenen unabhängigen Beraters und Vertreters in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 I BRAO) ist endgültig konterkariert. Unabhängig will der gar nicht mehr sein und kann es auch nicht. Er ist der „Fachanwalt des Weissen Rings“ und als solchen sollte ihn die Satzungsversammlung auch gleich beschließen.
Über die hiermit aufgegebene Vorstellung, dass Fachanwaltsbezeichnungen zumindest auch noch eine Verankerung in abgrenzbaren rechtlichen  Kategorien und nicht in klientelbezogenen haben sollten, ganz zu schweigen.

Ergänzung zum 22.06.2016: Bis heute ist es nichts geworden damit, so viel ist sicher. Das heißt natürlich nichts, denn die selbsternannten OpfervertreterInnen werden nicht ruhen, bis auch hier ein Erfolg zu verzeichnen ist. Das Gute ist: man ist auf der Seite der Guten und des Guten! Opfer sind gut und verdienen Schutz. Egal in welchem Stadium sich das Verfahren gegen den „Täter“ befindet und scheißegal: das mit der Unschuldsvermutung. Man ist Opfer und bleibt es, gleichviel, was das Verfahren ergibt, man hat ja auch einen Opferanwalt. So hilft, wenn sie sich dazu durchringt, die verfasste Anwaltschaft in ihrer opportunistisch-zeitgeistigen Art, die Rollen im Sitzungssaal von Anfang an klar zu verteilen und zuzuweisen. Wird der „Täter“ nicht verurteilt: Skandalurteil! Schutzlücke! Sekundärvictimisierung!

MPU für alle (VGH-Mannheim 10 S 1748/13)

Durch die Eilentscheidung des VGH Mannheim vom 15.01.14 wird es nun erstmals  nicht mehr nur europäischen sondern auch binnendeutschen Führerscheintourismus geben. Denn infolge dieser Entscheidung ist zur Beglückung und zur Arbeitsbeschaffung der Verkehrspsychologen für Baden-Württemberg nun geregelt, dass stets eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden muß, wenn durch den Strafrichter die Fahrerlaubnis alkoholbedingt entzogen war, also insbesondere auch in den Fällen folgenloser Trunkenheitsfahrt im Promillebereich zwischen 1,1 und 1,6 sowie bei relativer Fahruntüchtigkeit in Straßenverkehrsgefährdungsfällen, also auch u.U. deutlich unter 1 Promille BAK.
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„Promillegrenze“ Radfahrer

Die Innenministerkonferenz setzte sich dafür ein, diese von 1,6 Promille auf 1,1 Promille herabzusetzen, so hört man. Es geht um die Grenze zur absolute Fahruntüchtigkeit, die bei einem bestimmten „Promillewert“ erreicht ist, ab dem unbezweifelbar eine Straftat vorliegt, wenn am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen wird. Bei niedrigeren Werten kann aber auch schon Fahruntüchtigkeit vorliegen, wenn die Alkoholisierung zu belegten Ausfallerscheinungen geführt hat. Wann absolute Fahruntüchtigkeit des Radfahrers vorliegt, legt jedoch nicht das Gesetz fest und schon gar nicht die Exekutive in geballter Innenministerkonferenzform. Dies ist Aufgabe der Rechtsprechung, die dies -nach sachverständiger Beratung- in ihr angetragenen Fällen entscheidet und dabei für zukünftige Fälle präjudiziert.

Polizei bedarf im Fach „Verhalten vor Gericht“ der Schulung

Weshalb muss ein sogn. „Messbeamter“, also ein Polizist, der misst, ob der Führer eines Kraftfahrzeuges sich der Überschreitung von Geschwindigkeitsvorgaben „schuldig“ gemacht hat, von der „Polizeiakademie Hessen“ (und anderswo) eigentlich auch geschult werden in: „Verhalten vor Gericht“?  So heißt dies in unverblümter Offenheit in einer von der Polizeiakademie Hessen ausgestellte Teilnahmebescheinigung an der „Veranstaltung Vitronic PoliScanSpeed“ aus. Ist denn das Verhalten vor Gericht ein bei der Polizei besonders schulungswürdiges Verhalten? Immerhin ergeben sich die Pflichten eines Zeugen (zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Aussage und der strafrechtlich relevante Verstoß hiergegen) nicht nur unmittelbar aus dem Gesetz, das der Polizist kennen sollte, sondern auch aus den Belehrungen des ihn vernehmenden Richters. Kaum wird die Veranstaltung sein allgemeines Verhalten zum Inhalt haben, das, was  man früher „gute Kinderstube“, also eine Art „Knigge-Verhalten“, nannte. Geht es etwa bei der speziellen Schulung „Verhalten vor Gericht“ um ein Verhalten, das vor Gericht nicht selbstverständlich sein sollte und dass gerade deswegen besondere Schulung bedarf? Z.B. nicht ganz wahr, nur halb wahr oder sogar glatt gelogen, sich dabei aber nicht erwischen lassen? Wir zahlen jedenfalls die Schulung mit Steuern und Abgaben. Und dann zahlen wir die Bußgelder und dazwischen die Messbeamten, die Gerätschaften und die Richter usw. Wenn’s der Verkehrssicherheit dient! Der Kaiser hat doch gar nichts an, sagte das Kind.

„Alkoholunfall“ und die eigene Versicherung: Regress

Zwar muß der eigene Haftpflichtversicherer dem Geschädigten die Schäden aus einem Verkehrsunfall ersetzen, wenn der Verursacher alkoholisiert war; Im Verhältnis zu seinem Versicherten kann er diesen jedoch in Regress nehmen mit einer betraglichen Obergrenze von 5000 Euro. Voraussetzung ist stets jedoch die Fahruntüchtigkeit. Es genügt also nicht lediglich ein Alkoholisierungsgrad unterhalb von 1,1 Promille BAK, wenn nicht aufgrund von Ausfallerscheinungen die Fahruntüchtigkeit belegt ist (relative Fahruntüchtigkeit).
Die in der  Fahruntüchtigkeit dem Versicherer gegenüber liegende Obliegenheitsverletzung muß schuldhaft sein, also mindestens grob fahrlässig. Dies ist nach BGH-NJW 2011, 3299 regelmäßig der Fall.  Ob der Versicherer den Versicherten in vollem Umfang in Regress nehmen darf oder nur nach Quote, hängt vom Maß des Verschuldens ab. Nach „einhelliger“ Meinung ist der Versicherer zum vollen Regress bei absoluter Fahruntüchtigkeit (ab 1,1 Promille) berechtigt. Unterhalb von 1,1 Promille fangen die Regressquoten bei 20 % an (Kornas-NJW-Spezial 2013, 73 f.).

§ 24a StVG: Blutprobe + Atemalkoholkontrolle über/unter 0,5 Promille

Richter am Amtsgericht Lüdinghausen Carsten Krumm meint in der NJW 2012, 1860 (1862), dass eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 24a I StVG erfolgen könne, wenn bei dem Betroffenen sowohl eine Blutprobe entnommen als auch eine Atemalkoholkontrolle durchgeführt worden sei, und nur ein Messergebnis den Tatbestand des § 24a I StVG erfülle. Denn „beide Messverfahren sind nach dem Gesetz gleichwertig“.
Dies mag wohl so sein. Wie der Richter aber im Lichte des Zweifelsgrundsatzes zu der Überzeugung gelangen will, der Verstoß sei bewiesen, wenn die Blutprobe gegenteiliges belegt, teilt Krumm nicht mit.

In der NJW wird „aktuell“ mit Schlampigkeit übersetzt

Die verzweifelten Versuche der NJW mit der Internetgeschwindigkeit mitzuhalten und in „NJW-aktuell“ von einigermaßen frischen Urteilen zu berichten, lassen immer wieder die erforderliche Sorgfalt vermissen. In der aktuellen Ausgabe wird von der BGH-Entscheidung des VI-Zivilsenates zur Haftung des Linksabbiegers im Lichte des § 9 III 1 StVO und der Frage der Teilnahme der Sachverständigenkosten an der Quotierung unter der Überschrift „Versicherungsrecht“ berichtet.

Grenzwerte bei Drogenfahrt nach wie vor kein Thema

Burhoff weist auf eine Entscheidung des 4. BGH Senates vom Ende des letzten Jahres hin, der gemäß es bei einer „Drogenfahrt“ auch zukünftig der, die Fahruntüchtigkeit belegenden, Beweisanzeichen bedarf, um von Fahruntüchtigkeit i.S. des § 316 StGB ausgehen zu können. Bestimmte Blutwirkstoffbefunde reichen danach nicht aus, auch wenn gewisse von der Grenzwertekommission empfohlene Grenzwerte um das fünffache überschritten sind.
Das Thema beschäftigte wiederholt den Verkehrsgerichtstag. Verbindliche Grenzwerte  wie die 1,1 Promillegrenze bei Alkohol sind medizinisch bei Drogen jedenfalls derzeit nicht zu erwarten.

Die Flensburg-Reform

Nix genaues weiß man noch nicht, aber manches deutet sich bereits an:
Die Tilgungshemmung durch Neueintrag, durch Tattagprinzip und Überliegefrist vom „Bürger“ kaum noch zu durchschauen, wird sterben. Statt dessen werden schwere Verstöße nach drei und weniger schwere nach zwei Jahren getilgt.
Es gibt keine Punktespreizung von 1-7 mehr. Nur noch entweder einen für grobe Verstöße und zwei für’s noch gröbere. Was dann wo rein gehört, da wird es spannend. Und Ultimo ist dann bei 8 Punkten. Dann ist die Fahrerlaubnis zu entziehen. Bisher sind es 18, aber heute bekommt man „schnell“ (im wahrsten Sinne des Wortes) ‚mal 3 für Geschwindigkeits- und Abstandsverstöße, „braucht“ also „nur“ 6 Mal in fünf Jahren so aufzufallen und verliert die Fahrerlaubnis, die nur mit erfolgreichem MPU-Gutachten wieder neu erteilt wird. Das trifft sehr oft Berufskraftfahrer, natürlich nicht: die selten fahrende Triefnase und den Linke-Spur-Schleicher. Deshalb hört sich die Ramsauer-Reform für Flensburg für’s Erste ganz gut an. Weiterlesen

Frankfurt nur noch mit grüner Plakette

Seit gestern ist Frankfurt, neben Leipzig und einigen „Städten“, vornehmlich im deutschen Süd-Westen, deren Namen man jetzt erstmals zur Kenntnis nimmt, nur noch mit grüner Umweltplakette befahrbar. Über die bußgeldrechtlichen Folgen bei Verstoß hatte ich hier und hier schon hingewiesen (zusammenfassend: wer zahlt und den Punkt in Flensburg hinnimmt, ist selber schuld).
Wenn ich an den Mercedes denke, den ich 2002 als Neuwagen für rd. 47 T€ gekauft hatte, einen Diesel, der sicher immer noch tadellos seinen Dienst täte, wenn nicht auch er der Plakettenverordnung zum Opfer gefallen wäre, dann kommt mir das Grausen. Er hatte nur eine gelbe Plakette. Ausgesperrt in Frankfurt. Ein gerade einmal neun Jahre alter Wagen Marke „Premium“. Wie fehlgeleitet muß Politik sein, die so etwas verordnet.  Und wie  unverbesserlich untertänig die Bürger, die sich so kalt enteignen lassen.
Daher: rein nach Frankfurt, auch ohne die grüne Plakette! Das ist unsere Art zu protestieren.