Archiv der Kategorie: blog strafrecht

Strafbarer Pedelec- und E-Scooter-Fahrer

Vor vier Jahren wurde mit § 315d I Nr. 3 StGB die Strafbarkeit des „Einzelrasers“ begründet. Danach macht sich strafbar, „wer als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fährt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Geregelt ist das in dem Paragraf, der verbotene Kraftfahrzeugrennen (!) unter Strafe stellt.
Dass die unbestimmte und konturenlose Gesetzesnorm auch ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko für diejenigen birgt, die sich in Spielstraßen oder auf Gehwegen modern und politisch korrekt elektrisch auf zwei Rädern mit „Höchstgeschwindigkeit“ fortbewegen und hierbei keine Rücksicht auf alte und/oder gebrechliche Fußgänger oder auf Kinder nehmen, ist bislang noch nicht ins Bewusstsein gedrungen.
Die Folgen können allerdings weitreichend sein, wenn die Strafverfolgungsbehörden einmal auf diese Idee verfallen. Neben einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren steht ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung, nämlich die obligatorische Eintragung von mindestens 2 Punkten im Fahreignungsregister, die Entziehung der Fahrerlaubnis und der Einziehung des benutzten Kraftfahrzeuges.

Strate über Strafverteidiger

„Das liegt zum einen an den Strafverteidigern. Kampfesgeist zeigen sie vor allem auf dem einmal im Jahr stattfindenden Strafverteidigertag. An diesen zwei Tagen gilt den Freiheitsrechten des Beschuldigten das große Wort. Die restlichen 363 Tage des Jahres hingegen werden in kleinlauter Geschäftigkeit zugebracht. Mit Wiederaufnahmen lässt sich eben kein Geld verdienen.“

Gerhard Strate, Stimme der Unschuldigen, NJW vom 14.12.2017 (Nr. 51), Seite 7

Rettungsgasse

Das Gebot aus § 11 II StVO zur Bildung einer Rettungsgasse bei stockendem Verkehr auf mehrstreifigen Straßen ist eigentlich schon seit dem 14.12.2016 in Kraft. Verstöße wurden allenfalls im Verwarnungsgeldbereich geahndet. Seit dem 19.10.2017 sind in der Bußgeldkatalogverordnung hierfür neue Tarife bestimmt worden, nämlich Bußgelder von mindestens 200,00 €. Solche sind verbunden mit 2 Punkten im FAER in Flensburg, die erst nach 5 Jahren ab Rechtskraft wieder gelöscht werden. Das wird ein Abkassierfest! Zumindest in der Übergangszeit, bis jedermann klar ist, was auf Verstöße folgt. Der „Clou“ ist ja, dass die Vorschrift auch für jeden Rush-hour-Stau gilt, bei dem eh klar ist, dass es keiner „Rettungsgasse“ bedarf, weil es nix zu retten gibt. Die Regelbuße steht natürlich zu einem in einem solchen Fall begangenen Verstoß gegen § 11 II StVO in keinem vernünftigen Verhältnis mehr und fügt sich auch sonst nicht ein in die gebotene Symetrie des Sanktionensystems der Bußgeldkatalogverordnung.

Alle Einbrecher sind Verbrecher!

Pünktlich vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, der man seltsamerweise so genannte bundespolitische Bedeutung in Bezug auf die im September anstehende Bundestagswahl beimisst, hat die von einer großen Koalition gebildete Bundesregierung einen Gesetzesentwurf – wie es immer so schön heißt: – auf den Weg gebracht, den besonders schweren Fall des Diebstahls, vulgo: Einbruchdiebstahls, von der qualifizierten Mindeststrafe von drei Monaten zu einem Verbrechen hochzustufen mit folglich einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr. Ausgenommen sind Diebstähle geringwertige Sachen (bis 25 €). Bei 26 € wird es dann kritisch. Es genügt schon der Versuch, denn die Strafmilderung beim Versuch im allgemeinen und so auch bei versuchtem Diebstahl im besonders schweren Fall ist nur fakultativ und nicht obligatorisch. Wer also einbrechen will und an der Tür oder dem Fenster sich zu schaffen macht, dann aber wieder aufhört, dem droht ein längerer Gefängnisaufenthalt. Jedenfalls dann, wenn er bereits hierbei erwischt wird und deswegen nicht mehr vom Versuch aus „autonomen Motiven“ heraus zurücktreten kann. Selbst der nicht Vorbestrafte ist nach der gesetzlichen Wertung bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr grundsätzlich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe zu verurteilen, also ohne „Bewährung“. Denn nach dem Gesetz bedarf es besonderer Gründe, um eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr noch zur Bewährung aussetzen zu können. Dazu passt es dann, wenn Thomas Oppermann sich in der Glotze für diese gesetzgeberische Meisterleistung feiern lässt und allen ernstes und ausdrücklich hofft, „möglichst viele Täter ins Gefängnis“ zu bringen. C’est la guerre, aber auch: die Politik. Dabei ist der Mann nicht nur Sozialdemokrat (sic!) sondern auch ehemalige Richter, der es weiß Gott besser wissen müsste. In Wirklichkeit muss die Politik hoffen, dass die Aufklärungsquote nicht steigt, die derzeit bei 17 % liegen. Andernfalls man ein Problem mit den „möglichst vielen Tätern“ haben wird, für die die Gefängniskapazitäten nicht ausreichen. Das Problem beim Einbruchsdiebstahl war mit Sicherheit nicht die zu niedrige Mindestfreiheitsstrafe. Denn der Strafrahmen ging bis zu zehn Jahren, woran auch der Gesetzentwurf nichts geändert hat. Es war halt sinnvoll, beim „versuchten 26 €-Fall“ dem Richter die Möglichkeit zu geben, die Kirche im Dorf zu lassen. Aber die Koalitionspolitiker, die gegen angeblichen Populismus wortreich ins Feld ziehen sind in Wirklichkeit nichts anderes: schamlose Populisten!

„Köln“ sei Dank!

Renzikowski in NJW 2016 3553 ff zum neuen Sexualstrafrecht u.a. zu dem neuen § 184 j StGB:
„Der Straftatbestand (der Förderung von sexuellen Übergriffen)* ist eine der schlimmsten Verirrungen des Gesetzgebers und hat mit einem rechtsstaatlichen Strafrecht nichts zu tun*… Die Straftat nach § 177 oder § 184 i StGB soll eine bloße objektive Bedingung der Strafbarkeit sein, von deren tatsächlicher Begehung der Täter nicht die geringste Ahnung haben muss. Zusammengefasst genügt also die zufällige Anwesenheit in einer Menschenmenge mit zugestandenermaßen unlauteren Absichten, um jemanden für ein Sexualdelikt mitverantwortlich zu machen … (3557) Man fragt sich, warum beim BMJV eine Expertenkommission zur -überfälligen- Reform des Sexualstrafrechts eingesetzt wird,wenn diese Problem handstreichartig durch eine Tischvorlage erledigt wird*, ohne die Ergebnisse der Fachleute abzuwarten. Die § 184 j StGB zu Grunde liegende Vorstellung, dass man für alles, was irgendeiner Person angetan wurde, unbedingt einen Sündenbock verurteilen muss, führt in ein totales Strafrecht. Es ist zu hoffen, dass das BVerfG diesem Wahn Einhalt gebietet.“* (3558)

Fischer schreibt in der 64. Auflage des StGB-Kommentars: „Die Vorschrift ist eine populistisch gefärbte Demonstration angeblicher Schutzbereitschaft im Gefolge der medial hysterisierten „Ereignisse von Köln“. Insgesamt ist die Verfassungsmäßigkeit der Regelung erheblichen Zweifeln ausgesetzt“ (a.a.O., § 184j Rn. 13; s.a. Pichler, StRR 16, H. 9, 4, 7).

*Hervorhebung und Klammer von mir

Tod im Knast

(Auch) im Falle von Suizidalität regeln die §§ 49 – 53 SächsUntersuchungshaftVollzG die erforderlichen besonderen Sicherungsmaßnahmen, etwa Wegnahme von Gürtel pp bis hin zur Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum (bgH), in dem es nahezu ausgeschlossen ist, sich selbst zu töten. Äußerstenfalls ist die Videoüberwachung möglich. Der Tod im Knast ist um jeden Preis zu vermeiden. Dass die Strafverfolgungsbehörden in  Sachsen versagt haben, ist offensichtlich. Aber die Ermittlungen wurden vom Generalbundesanwalt geführt. Auch dort wird man sich nicht aus der Verantwortung stehlen können.

Das Fahrverbot für Diebe, Betrüger, Steuerhinterzieher

Seit Heiko Maas Bundesjustizminister ist, hat sich das Strafrecht wieder zum Experimentierfeld entwickelt. Dabei geht es immer nur um Verschärfung für den „Täter“ und den Ausbau der Rechte zum Schutz der „Opfer“. Insbesondere das Sexualstrafrecht weiß davon ein Lied zu singen. Den Dreck zusammenkehren kann er dann die Justiz. Daher bedarf es stets ihrer Entlastung. Jetzt kommt (wohl) demnächst mit dem Fahrverbot für alle, also nicht nur „wegen einer Straftat, die er (der Verurteilte) bei einer im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat“ (Paragraf 44 Abs. 1 Satz 1 Strafgesetzbuch), eine neue Entlastungsmöglichkeit, jedenfalls wenn es nach dem Willen des Bundesjustizministers geht, wobei, dem Vernehmen nach, die sogenannte Koalition sich offensichtlich einig ist, dass das eine tolle Idee ist. Weiterlesen

Die Oberstaatsanwältin oder: mit wem man es so zu tun hat im Gerichtssaal

Während einer unterbrochenen Sitzung des 17. Strafkammer des Landgerichts Darmstadt beliebte es mir, die mir persönlich nicht bekannte Sitzungsvertreterin der Anklagebehörde mit „Frau Staatsanwältin“ anzusprechen und sogleich zur Sache zu kommen. Ich kam nicht weit. Nach so ca. 2-3 Sätzen entgegnete sie: „Oberstaatsanwältin!“ und blickte dabei eisig drein.
Ich sagte: „Ach so, wir waren uns ja nicht vorgestellt worden“.
Sie: „Sie könnten ja vorher fragen, mit wem sie es zu tun haben, wenn sie jemanden ansprechen!“
Ich: „Ich werde Sie nie wieder ansprechen“.

Wie man wohl behandelt wird, wenn man ihr als Angeklagter begegnet?
Und wer prüft eigentlich die charakterliche Eignung von Staatsanwältinnen und Oberstaatsanwältinnen? Und wenn dies nicht geschieht: warum nicht? Mit solchen Gedanken verließ ich heute fünf Minuten nach dem kurzen Dialog die inzwischen geschlossene Sitzung.

 

Der psychosoziale Prozessbegleiter

Nun ist er da. Bundesgesetzblatt 2015, 2525. Nach der Einführung des Fachanwalts für Opferrechte gibt es jetzt einen neuen „richtigen“ Beruf mit recht lukrativen Verdienstmöglichkeiten (Gerichtskostengesetz entsprechend geändert, Vorverfahrensgebühr 520 €, Verfahrensgebühr im ersten Rechtszug 370 € und im Berufungsverfahren 210 €), jedenfalls angesichts der doch recht bescheidenen Anforderungen an seine Eingangsqualifikation („abgeschlossene Berufsausbildung in einem“ der Bereiche „Sozialpädagogik, soziale Arbeit, Pädagogik, Psychologie“) auf dem Opfermarkt.
Was soll er tun? Nun, es geht um die „nicht rechtliche Begleitung (Anm.: dafür hat man ja schon den Opferanwalt) im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung und Unterstützung im gesamten Strafverfahren mit dem Ziel, die individuellen Belastungen der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung (sic!) zu vermeiden“. Wenn die Voraussetzungen vorliegen, die denen der Beiordnung eines Opferanwalts entsprechen, dann ist der psychosoziale Prozessbegleiter vom Gericht beizuordnen.
Die Wahrheitsfindung wird hierdurch mit Sicherheit nicht erleichtert. Es entsteht eine Berufsgruppe (und mit den Opferanwälten eine regelrechte Opferhilfetruppe), die sich als nichts anderes als die Beschützer von Opfern verstehen und Opfer ist, wer sich dafür hält.
Ziel ist es, den Täter zur Strecke zu bringen, denn alles andere führt nur zu einer Sekündärviktimisierung . Wer Täter ist, ist auch klar. Der, den das Opfer als solchen bezeichnet.