Archiv für den Monat: Februar 2011

Punkte in Flensburg für’s Falschparken?

Es gibt zwar eine Anlage 13 zu § 40 FeV die regelt, wofür es wieviele Punkte im Verkehrszentralregister gibt. Am Schluß steht: 1 Punkt gibt es für alle übrigen OWis, die vorher nicht seitenweise aufgezählt worden sind. Nicht übersehen sollte man aber § 28 III Nr. 3 StVG. Danach gibt es nämlich Punkte für alle Verkehrs-OWis nach § 24 StVG, Hauptsache: mindestens 40 € hat das Bußgeld betragen. Damit haben auch läppische Verkehrsverstöße, z.B. Falschparken, die Chance, richtig weh zu tun. Wenn die Bußgeldbehörde oder -nach Einspruch- das Gericht auf 40 € erhöht, etwa wegen haufenweise Voreintragungen. Mitunter weiß der Richter gar nicht, was er da tut, daß es vielleicht der entscheidende Punkt zum „alle 18“ und damit zum Entzug der Fahrerlaubnis gewesen ist.

§ 100 h StPO keine Ermächtigungsgrundlage für das „Blitzen“!

Nachdem das Bundesverfassungsgericht bei automatisierten Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen die fehlende gesetzliche Eingriffsermächtigung reklamiert hatte, schüttelten einige Oberlandesgerichte eine solche in Gestalt des § 100 h StPO, eine im Verkehrsrecht bislang ein unbeachtetes Dasein fristende Vorschrift, aus dem Ärmel. Diesem Hütchenspielertrick zur Aufrechterhaltung der ansonsten ach so beeinträchtigen Verkehrssicherheit und -als nicht ungelegenem Nebeneffekt- zur Sicherung einer in die öffentlichen Haushalte eingeplanten Millioneneinnahme,  wird in NZV 2011, 67 von dem Kollegen Dr. Alexander Wilcken eine klare Absage erteilt. Die gegenwärtige Praxis des Blitzens und Filmens bleibt mangels gesetzlicher Eingriffsermächtigung illegal.
Daß sich die Oberlandesgerichte für eine legalistische Argumentation mit § 100 h StPO hergeben, macht besorgt.

Der Rechtsstaat hemmt die Geständnisbereitschaft

Zu allen Zeiten war das Geständnis der Freund des Repressionsapparates. Von der Hexenverfolgung bis zum Unrechtsstaat DDR förderte die Folter, mitunter auch nur das Vorzeigen der Instrumente, die Geständnisbereitschaft enorm. Die Vorteile liegen auf der Hand. Dem Strafverfolger spart diese Vorgehensweise Zeit und Geld. Und der Geständige wird auf diese Weise veranlaßt, sich einen Ruck zu geben und sein Gewissen zu entlasten.
In Deutschland gibt es trotz dieser offenkundigen Vorteile kaum noch Befürworter der Folter.
Dies, obwohl doch sehr den durch sie herbeigeführten Vorteilen nachgetrauert wird. Gleichwohl wird -nicht konsequent- einer Rückkehr zu diesem Instrument zur Herbeiführung eines Geständnisses und damit zum Zwecke der Verfahrensabkürzung und Kostenersparnis nicht das Wort geredet. Warum eigentlich nicht? Weiterlesen

Zweifelsgrundsatz? Im Zweifel wird die Fahrerlaubnis entzogen!

Am 21.09.2o10 war die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden, weil dem Beschuldigten ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vorgeworfen worden war. Ich hatte schon am 28.10.2010 über den Fall berichtet, in dem es auf die Schadenshöhe ankam. Beschädigt war nämlich ein Seat Ibiza, 15 Jahre alt und 116.000 km gefahren. Keine Sau interessierte, daß ein solches Auto schon keinen Wiederbeschaffungswert von 1.300 € hat, geschweige denn, ein Schaden in dieser Höhe nach Abzug des Restwertes in Betracht gekommen wäre. Wegen des für die vorläufige Entziehung erforderlichen bedeutenden Fremdschadens hätte sich die Staatsanwaltschaft, der für die Entziehungsentscheidung zuständige Ermittlungsrichter und vor allem auch die Beschwerdekammer des Landgerichts Darmstadt dafür interessieren müssen. Immerhin hatte der Verteidiger von mobile.de Vergleichsangebote vorgelegt und im übrigen darauf verwiesen, daß im Zweifel sachverständige Schadensbestimmung angezeigt sei. Es war umsonst. Man berief sich -ohne Bedacht auf den auch hinsichtlich der Schadenhöhe erforderlichen dringenden Tatverdacht- allen Ernstes auf die Grobschadensschätzung (2000 €) der Polizei, weil die ja ach so viel Erfahrung in solchen Sachen hätte und schmetterte die Beschwerde ab. Weiterlesen

Warum 19 Tagessätze?

Bei Geldstrafen verhängen Gerichte solche regelmäßig in 10er Blöcken, also 30, 40, 50 usw Tagessätze. Findet sich im BZR eine Eintragung mit 19 Tagessätzen, kommt unweigerlich die Frage, ob der Mandant 19 Tage in U-Haft gesessen habe.

So war’s auch heute. Der Mandant konnte jedoch aufklären. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hatte damals 90 Tagessätze beantragt. Der Richter wollte dem Antrag entsprechen, hatte aber „19“ Tagessätze verstanden. Die Allianz aus schlechtem Gehör und dem Bedürfnis, unkritisch der StA zu folgen, führte zu einer vermeintlich antragsgemäßen Entscheidung. Sie erging an einem 1. April.

Drogenfahrt bei längere Zeit zurückliegendem Konsum

§ 24a II StVG führt beim Führen von Kraftfahrzeugen „unter der Wirkung“ von Drogen bereits beim Ersttäter zu einem Bußgeld von 500 € und einem einmonatigen Fahrverbot. Außerdem ist die Fahrerlaubnisbehörde in diesen Fällen berechtigt, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu verlangen, u. U. sogar zum sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis. Weitreichende Folgen also. Bei Cannabis kann seit BVerfG-NZV 2005, 270 von „unter der Wirkung“ erst ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum ausgegangen werden.
Leider wird oft übersehen, daß auch bei Werten oberhalb dieser Grenze eine Ordnungwidrigkeit dann nicht gegeben ist, wenn der Betroffene keine Kenntnis von der Möglichkeit der weiterbestehenden Drogenwirkung hatte. Dies ist die Voraussetzung für eine fahrlässige Tatbegehung. Liegt aber der Konsum schon 24 Stunden oder länger zurück, wird diese Kenntnis regelmäßig fehlen. Der Forderung nach absoluten Grenzwerten, von Polizei und Verkehrspsychologen auch auf dem Verkehrsgerichtstag vorige Woche wieder erhoben, erteilt die medizinisch-toxikologische Forschung eine Absage. Solche Werte gibt es nicht und wird es (vorläufig) auch nicht geben.
Es bleibt also dabei, daß die Verteidigung darauf bestehen muß, daß Feststellungen zum Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit getroffen werden müssen. Ist dies nicht möglich, muß freigesprochen werden.

So klug als wie zuvor

Gestern beim Landgericht, Zivilkammer, Einzelrichterin.
Der Fall enthalte komplizierte Probleme. Aha. Wie diese zu bewerten seien, keine Antwort. Es sei ja der gesetzlich vorgeschrieben Gütevorschlag zu machen. Lustlos mal was vorgeschlagen. Konnte keinen überzeugen. Argumente nicht gehabt. Weiter rumgestochert und -geeiert.  Anträge stellen lassen. VT bestimmt (in sechs Wochen).  Wolle prüfen, ob die von einer Partei vorgelegte BGH-Entscheidung „1:1“ passt.
Was werden wird? Völlig offen!
Über den Sinn des Termins gerätselt.

Am besten lässt man’s gleich ganz sein, so wie neuerdings in gefühlten 99 % der Berufungen in Zivilsachen. Oder in strafrechtlichen Revisionen. Aber da ist wenigstens mindestens eine oft intensive Hauptverhandlung vorausgegangen. Mündliche Verhandlungen sind doch nur lästig. Wenn man die Parteien und deren Anwälte gar nicht erst sieht, lebt es sich viel besser. Im Elfenbeinturm, im Wolkenkuckucksheim. Es entscheidet sich auch viel leichter, am grünen Tisch. Vor allem Abstand braucht die Justiz, Distanz!

MPU für Fahrradfahrer …

… ist grundsätzlich möglich. Wird nicht „bestanden“ oder kein Gutachten beigebracht, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Benutzung von Mofa und Fahrrad verbieten, §§ 3 I, II, 13 S. 1 Nr. 2 lit c; 2 IV StVG.
Dies hat aber Grenzen. Bei einem erstmals nachts auf einem Fahrradweg mit 2,33 Promille fahrenden Fahrradfahrer ist sowohl die Anordnung der Beibringung eines MPU-Gutachtens als auch das wegen der Nichtvorlage angeordnete Verbot der Nutzung von Fahrrad und Mofa wegen Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig (OVG Koblenz-NZV 2010, 54).