Rentner kann Bußgeld nicht zahlen – 20 Tage Gefängnis

Gegen den Betroffenen wurde aus einem Bußgeldbescheid (1000 € wegen wiederholter Trunkenheitsfahrt) vollstreckt. Die Staatsanwaltschaft drohte Erzwingungshaft an. Der Betroffene legte einen Rentenbescheid (< 1000 €/mtl.) vor und teilte mit, er müsse sein Haus abbezahlen (> 700 €) und habe i.ü. die „E.V.“ abgegeben.
Das Amtsgericht Darmstadt ordnete daraufhin 20 Tage Erzwingungshaft an.
Die Angaben zum Einkommen seien unglaubhaft, von 250 € könne man nicht leben (die Notwendigkeit danach zu fragen, wie man mit 250 € leben kann, wurde nicht erkannt). Der Betroffene könne eine Weile die Tilgung des Hausdarlehens aussetzen. Eine Rate von mtl. 100 € sei ihm sicher möglich.
Die sofortige Beschwerde führte aus, daß er von seiner Freundin, mit der er zusammen lebt, und seiner Mutter, die im Nachbarhaus wohnt, in Naturalien unterhalten wird und daß es nicht darauf ankomme, was faktisch möglich sondern was rechtlich nötig ist. Über das Rechtsmittel ist noch nicht entschieden.

Nachtrag vom 08.10.10: Die Beschwerdekammer des Landgerichts Darmstadt hat den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt, mit dem Erzwingungshaft angeordnet worden war, mit Beschluss vom 01.10.10 aufgehoben.

15 Gedanken zu „Rentner kann Bußgeld nicht zahlen – 20 Tage Gefängnis

  1. Dante

    Tschuldigung, der Mann hat ein Haus. Da er dran abbezahlt dürfte es nicht über Marktwert belastet sein. Sonst würde er das im Zweifel lassen.

    Autofahren kann er auch und da sollen ihm keine Raten möglich sein?

    Der Staat muss ich nicht alles gefallen lassen.

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  2. Guinevere

    Diese Wette werden Sie wohl gewinnen, weil ja selbst nach Haftverbüssung die 1000€ immer noch zu zahlen wären.
    Durch die 20 Tage Erzwingungshaft wäre also nichts gewonnen.

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  3. flauaus Beitragsautor

    „Der Staat muß sich nicht alles gefallen lassen“, wenn ich sowas schon höre. Der Staat ist ein Gläubiger wie jeder andere und hat gefälligst die Pfändungsfreigrenzen aus § 850c ZPO zu respektieren, wie jeder andere Gläubiger auch.

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  4. T.S.

    Warum soll der Herr nicht Buße für seine wiederholte Trunkenheitsfahrt tun. Besser jetzt sich leutern als später betrunken einen Unfall zu verursachen. Im Vergleich zu den zivil- und strafrechtlichen Folgen eines durch eine Trunkenheitsfahrt verursachten Unfalls ist das verlangte Bußgeld gering. Im Übrigen glaube ich auch, dass das Geld sofort bereit liegt, sobald ernsthaft die Vollziehung der Erzwingungshaft droht.

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  5. Burschel

    „Der Staat ist ein Gläubiger wie jeder andere und hat gefälligst die Pfändungsfreigrenzen aus § 850c ZPO zu respektieren, wie jeder andere Gläubiger auch.“

    Yep!
    Und wer die eV abgegeben hat, hat dann den OWi-Begehungs-Freifahrtschein

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  6. flauaus Beitragsautor

    Buße tun, Läuterung, mir scheint, wir sind hier im Priesterseminar!
    Herr Burschel, ich weiß, daß ein gespanntes Verhältnis zum geltenden Recht kein Richterprivileg ist, aber manchmal frage ich mich schon, ob Sie sich als Richter oder, so wie Sarrazin, rein als Privatmensch äussern.
    I.ü.: ich hab´ halt ein Herz für Rentner (siehe auch auf meiner Linkliste „der falsche Gasmann“).

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  7. dieter

    hier sollte eine ratenzahlung von mtl.20,- € angemessen erscheinen.
    wieso so hohe ratenzahlung,um eventuell ergänzende sozialhilfe zu beantragen,
    das dann von steuergeldern finanziert wird.

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  8. Pingback: LexisNexis® Strafrecht Online Blog » Blog Archiv » Wochenspiegel für die 36. KW – oder wir schauen mal wieder über den Tellerrand

  9. klabauter

    @flauaus: Dass der Staat die Pfändungsfreigrenzen zu beachten hat, können Sie ja demnächst auch einmal bei Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe nach erfolgloser Geldstrafenbeitreibung und arbeitsunwilligem Verurteilten vorbringen und dann bis nach Karlsruhe oder Straßburg tragen.
    Wenn es um Ihr Anwaltshonorar ginge, hätten Sie wohl weniger Skrupel, eine Immobiliarvollstreckung zu betreiben; offenbar hat der arme Mann ja einen Vermögensgegenstand (und zwar nicht nur eine Wohnung, sondern ein Haus).

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  10. klabauter

    p.s.: mal aus dem Beck-Blog zitiert:
    http://blog.beck.de/2008/06/17/nein-zur-bestrafung-der-armut-keine-erzwingungshaft-bei-insolvenz
    „Zahlungsunfähigkeit im Sinne des OWiG liegt bekanntlich nach der Rspr. vor, wenn der Betroffene den Mangel an Zahlungsmitteln auch nicht unter zumutbaren Bedingungen (z.B. Veräußerung und Verpfändung von Gegenständen, Kreditaufnahme, Einschränkung der Lebenshaltung, Einsatz der Arbeitskraft) beseitigen kann (vgl. LG Berlin NZV 2007, 374).“
    Da offenbar nichts dazu vorgebracht ist, weshalb ein HAUS nicht belastet werden kann oder aber in der Lage zur Kreditrückzahlung, nicht aber zur Bußgeldzahlung ist, (was ist eigentlich mit dem Auto, das er für die Fahrten benutzt hat?), ist Zu nicht ausreichend dargelegt.

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