Archiv für den Monat: März 2010

Haftung von Kindern im ruhenden Straßenverkehr

Während dem noch nicht 10jährigen Kind kein Schadenersatz zusteht (und es auch dem Autoeigentümer keinen solchen schuldet), wenn es mit einem ordnungsgemäß geparkten Auto kollidiert, gilt dies nicht bei einem auf der falschen Straßenseite geparkten Auto. Das hat das Landgericht Saarbrücken entschieden (NJW 2010, 944). Die von § 828 II BGB vorausgesetzte typische Überforderungssituation eines Kindes im Straßenverkehr gelte in diesem Falle auch im ruhenden Verkehr, weil eine erhöhte  Aufmerksamkeit erforderlich sei um zu erfassen, ob das Auto etwa besetzt sei und deshalb mit einem Anfahren in die eigene Richtung zu rechnen sei, oder nicht.

Das OLG Frankfurt gibt seine Mindermeinung auf

Ich hatte am 29.07.09 über die allseits heftig kritisierte Entscheidung des OLG Frankfurt vom 22.01.2009 berichtet, wonach Voreintragungen im VZR zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden dürften, wenn diese sich in der Überliegefrist befinden. Das OLG Frankfurt hatte sich nicht nur gegen die Rechtsprechung aller anderen OLGe gestellt sondern mit rätselhafter Begründung die gebotene Vorlage an den BGH vereitelt.
Die dieser Entscheidung zugrunde liegende Auffassung, die  mit dem Wortlaut des § 29 StVG unvereinbar war, hat das OLG Frankfurt nun mit Beschluss vom 07.01.2010 – erfreulicherweise und nach nicht einmal einem Jahr hessischem Sonderweg – aufgegeben (NZV 2010, 161).

Fahrerflucht und Entziehung der Fahrerlaubnis

Gemäß § 69 II StGB ist bei einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort regelmäßig die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn ein bedeutenden Fremdschaden entstanden ist. Wann liegt der vor? Nun, es gibt schon Entscheidungen, die von 1.500,00 € ausgehen.
Das bezieht sich auf den tatsächlich entstandenen Schaden, also ohne Mehrwertsteuer gem. § 249 II S.2 BGB, wenn der Schaden nicht repariert worden oder jedenfalls keine Reparaturrechnung vorgelegt worden ist.
Was kommt alles rein? Jedenfalls die Reparaturkosten und die Abschleppkosten. M.E.  nicht auch Sachverständigenkosten und Wertminderung, wie vereinzelt und veraltet vertreten, weil es dann vom Geschädigten abhängt, ob aus dem Schaden ein bedeutender Schaden wird und weil es darauf ankommt, wie sich dem Beschuldigten der Schaden augenscheinlich darstellt, und dabei kann er nicht wissen, ob eine Wertminderung oder Sachverständigenkosten entstehen werden.

Gebrauchtwagenverkäufer muß über Zwischenhändler aufklären

Der BGH hat am 16.12.2009 entschieden, daß der Verkäufer eines Gebrauchtwagens den Käufer darüber aufklären muß, daß er das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf von einem im Kraftfahrzeugbrief nicht eingetragenen „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hat. Denn für jeden Vertragspartner bestünde die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mittelung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann.
So liege es bei einem fliegenden Zwischenhändler, der vom Gebrauchtwagenhandel gerne auch nur fingiert wurde, um selbst nicht in den Verdacht der Kilometerzählermanipulation zu geraten. Im entschiedenen Fall soll dieser auch um 140.000 km zurückgedreht worden sein. Der Käufer hatte vorgetragen, einen solchen Verdacht gehegt zu haben, hätte er von dem Zwischenhändler gewußt.
Der verklagte Händler muß nun als Schadenersatz im wesentlichen den Kaufpreis zurückzahlen (NJW 2010, 858).

Fahrverbot ohne Regelfall? Einspruch Euer Bußgeldstelle!

Der Betroffene hatte sieben Eintragungen im Verkehrszentralregister. Es handelte sich um Trunkenheit im Verkehr, Straßenverkehrsgefährdung, 2 Fälle von Geschwindigkeitsüberschreitung, 2 Fälle des Nichteinhaltens von Mindestabständen und einem Fall der unzulässigen Benutzung von Mobiltelefonen. Nunmehr war er außerhalb geschlossener Ortschaften 16 km/h zu schnell gefahren. Angesichts der Voreintragungen meinte die Bußgeldstelle, müsse ein Fahrverbot verhängt werden. Das Amtsgericht Peine hat dies mit Urteil vom 8.3.2010 abgelehnt. Weiterlesen

Sperrfristverkürzung

Gemäß Paragraph 69a Strafgesetzbuch ist eine Sperrfrist zu verhängen, die erst abgelaufen sein muss, bevor die Fahrerlaubnisbehörde eine neue Fahrerlaubnis erteilt, wenn die Fahrerlaubnis entzogen war. Die Entziehung setzt voraus, dass Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegt. Dies ist zum Beispiel bei absoluter Fahruntüchtigkeit, also bei einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille, der Fall.
Die Sperrfrist beträgt mindestens sechs Monate. Weswegen automatisch nach Ablauf der Sperrfrist die Geeignetheit zum Führung von Fahrzeugen allein durch Zeitablauf wieder bestehen soll ist allerdings kaum nachvollziehbar. Denn in den meisten Fällen wird die Fahrerlaubnis ohne weiteres nach Ablauf der Sperrfrist wieder erteilt werden, ohne dass der Antragsteller Nachweis darüber führen muß,  dass seine Fahreignung wieder hergestellt ist. Weiterlesen

Nachträgliche „SV“ im JGG

Der erste Strafsenat des BGH hat gestern entschieden, daß die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung in § 7 II Nr. 1 JGG am 8.7.2008 und damit 9 Tage vor Entlassung des Revisionsführers aus 10jährigem Jugendstrafvollzug verfassungsgemäß ist und auch nicht mit der neuen Entscheidung des EMRG vom 17.12.2009 http://beck-online.beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata\ents\urteile\2010\cont\beckrs_2010_01692.htm&pos=0&lasthit=true&hlwords=#xhlhit
(BeckRS 2010, 01692) kollidiert.

„Fast jeder Führerscheinbesitzer“

Nachlese zum „Fall Käsmann“.
Patrick Bahners schreibt am 8.3.10 (eigentlich zum (soweit es einer wird) „Fall Theo Zwanziger“): „Im Sinne der englischen Redensart: „There, but for the grace of God, go I“ sagte fast jeder Führerscheinbesitzer in Deutschland: Das hätte mir auch passieren können.“ Und das bei 1,56 Promille!

Der beschuhte Fuß als gefährliches Werkzeug

Der 4. Strafsenat hat mit Urteil vom 24.9.2009 (NStZ 2010, 151) zu entscheiden gehabt über die Fußtritte eines Polizeibeamten im Dienst gegen einen am Boden liegenden, die mit einem „Dienstschuh“ begangen worden waren und das Opfer in den Bauch trafen. Das Landgericht Dortmund war der Auffassung, ein Tritt mit einem Dienstschuh sei keine Körperverletzung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges. Denn der Dienstschuh sei aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit nicht geeignet, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Weiterlesen

Als Tätigkeitsschwerpunkt einfach alles und überall

Bekanntlich dürfen Anwälte seit einiger Zeit sogn. Zweigstellen vorhalten. Kann im Einzelfall sinnvoll sein. Was es aber soll, wenn ein außerplanmäßiger Professor an der Uni Heidelberg, der seit 2 1/2 Jahren auch als Anwalt zugelassen ist, neben seiner in Darmstadt bestehenden Kanzlei außerdem noch weitere vier Zweigstellen unterhält, nämlich in Nürnberg, Bensheim und zwei in Langen (sic!), erschließt sich weder mir noch wohl dem rechtssuchenden Publikum, wobei die Betonung wohl auf „suchend“ liegt, denn der Kollege kann nun einmal nicht zugleich in Heidelberg, Darmstadt, Nürnberg, Bensheim und an zwei verschiendenen Orten in Langen sein. Macht aber viel Werbung, der Kollege. Und was der für Tätigkeitsschwerpunkte hat: das „Ermittlungsverfahren, im Zwischenverfahren, im Hauptverfahren, im Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren sowie im Verfahren gegen strafprozeßuale Zwangsmaßnahmen.“
Wow, Da haut’s ein wech, einfach alles! So eine geballte Kompetenz bringt wahrlich Licht in unsere düstere Bensheimer Hütte. Es ist wie im Dönerladen: ein Döner mit allem auch „mit scharf“; ein Kollege mit Omnipotenz und Omnipräsenz. 
http://www.beier-partner.de/prof-dr-juergen-rath