Archiv für den Monat: Juni 2009

Auch 2009: keine Vollstreckung ausländischer Bußgelder in Deutschland

Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV teilt heute unter Bezugnahme auf die Justizministerin anläßlich der ADAC-Rechtstagung am 22.06.09 mit, daß das Umsetzungsgesetz zum Rahmenbeschluss über die Vollstreckung ausländischer Geldbußen und -strafen in dieser Legislaturperiode nicht mehr in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden wird und es auch keine Rückwirkung geben wird. Außer im Falle von „Knöllchen“ aus Österreich, mit dem es ein bilaterales Vollstreckungsabkommen gibt, müssen also jedenfalls in diesem Jahr Auslandsstrafzettel nicht die Urlaubskasse schmälern.

Bei nachträglicher Kenntnis von der Unfallbeteiligung keine Unfallflucht

Es ist kein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, wenn der Unfall (Beschädigung eines Aussenspiegels)zunächst nicht bemerkt wird, der Unfallgegner daraufhin den Schädiger verfolgt und so auf den Unfall aufmerksam macht, und der Schädiger sich nunmehr zu entfernen sucht, wobei er billigend in Kauf nimmt, sich den Feststellungen zu entziehen (OLG-Hamburg-NZV 2009, 301).

Auf welcher Seite stehen Sie eigentlicht, Herr Pflichtverteidiger?

Ich hatte schon am 20.10.08 über den Pflichtverteidiger geschrieben, der vom Gerichtsvorsitzenden bestellt wird, weil der Angeschuldigte keinen Anwalt hat und auch keinen Anwalt benannt hat, der ihm beigeordnet werden soll. Der Vorsitzende braucht ihn nur aus dem Bestand der im Gerichtsbezirk ansässigen Anwälte auswählen, ohne weiteren Einschränkungen zu unterliegen. Häufig werden die Üblichen genommen, die „keine Probleme“ machen und „kein Rechtsmittel“ einlegen. Von ihren Kollegen werden sie verächtlich „Urteilsbegleiter“  genannt. Sie sind nicht selten abhängig von diesen Mandaten und daher nicht Diener zweier Herren, sondern nur eines, allerdings nicht ihres Mandanten sondern des Vorsitzenden, mit dem nicht selten auch ein über die dienstlichen Belange hinausgehender persönlicher Kontakt gepflegt wird. Dies alles sind Mißstände, die allgemein bekannt sind und über die sich keiner aufregt. Es herrscht die Meinung, diejenigen, die sich ihren Anwalt nicht selbst suchen, seien selbst schuld. Und so geraten gerade diejenigen, die besonders darauf angewiesen wären, was man schon daran sieht, daß sie sich nicht einmal einen Anwalt ihres Vertrauens beschaffen können (z.B. Junkies, sprachunkundige Ausländer, Geisteskranke) an einen Verteidiger, der diesen Namen nicht verdient hat*. Dabei könnte man, statt die Auswahl dem Vorsitzenden zu überlassen, die Pflichtverteidigerbestellung im Turnus entsprechend der bei Gericht erstellten Pflichtverteidigerliste vornehmen. Dies ist jedoch ersichtlich nicht gewollt. Weiterlesen

Berufung verworfen

In meinem Beitrag „Richter legt Berufung gegen eigenes Urteil nahe“ vom 12.03.09 hatte ich von einem Fall berichtet, in dem der erstinstanzliche Vorsitzende gemeint hatte, derzeit reiche es weder für eine bewährungsfähige Strafe noch hätte es, diese vorausgesetzt, für Bewährung gereicht; auch in den schriftlichen Urteilsgründen hatte er schon den Ausblick in die Berufungsinstanz gewagt, wo alles anders aussehen könne. Tat es aber nicht. Die Berufung wurde verworfen. Die Berufungskammer meinte, daß auch Wohlverhalten zwischen den Instanzen den Angeklagten nicht vor 2 Jahren 8 Monaten bewahren könnten.

Tempolimits am Urlaubsort

                        Innerorts           Außerorts           Autobahn
Belgien               50                      90/120 *              120
Bulgarien            50                         90                     130
Dänemark           50                         80                     130 
Finnland             50                      80-100                 120 
Frankreich          50                       90/110*               130 
Griechenland      50                       90-110              120-130
UK (in mph)         30                       60/70*                  70 
Italien                50                         90/110*              130 (110 bei Regen)  
Kroatien              50                        90/110*               130
Holland              50                         80/100*              120
Österreich           50                        100                      130
Schweiz              50                        80/100*               120
Spanien                50                       90/100                120

* Schnellstraße

Zerstückelte und von Hunden aufgefressene Leiche in der Donau wieder aufgetaucht

Die FAZ berichtet heute über den Fall des vor acht Jahren verschwundenen Bauern und Familientyranns „Rudi“. Vier seiner Familienmitglieder hatten Jahre später gestanden, ihn getötet, zerstückelt und die zerstückelte Leiche den Hunden zum Fraß vorgeworfen zu haben. Ein Zeuge hatte vor der Polizei angegeben, das Auto des Rudi verschrottet zu haben. In der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht in Ingolstadt zog er diese Aussage zurück. Richter und der Oberstaatsanwalt drohten ihm mit seiner Festnahme wegen einer Falschaussage, woraufhin er seine ursprünglichen Angaben bei der Polizei, das Auto verschrottet zu haben, wiederholte. Auch die Angeklagten hatten ihre  ursprünglichen Geständnisse in der Hauptverhandlung widerrufen. Dabei blieben sie bis zum Schluss. Alle vier wurden zu langjährigen Freiheitsstrafen wegen Totschlags verurteilt.

Jetzt ist die Leiche mitsamt dem Auto des Bauern aus der Donau gefischt worden. Spuren stumpfer Gewalteinwirkung fanden sich ebenso wenig, wie die Leiche zerstückelt war. Das Auto, in dem sich die Leiche befand, war ersichtlich auch nicht verschrottet worden.
Ein Fehlurteil, das im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens wird aufgehoben werden müssen.

Verwertbarkeit belastender Spontanäusserung des später schweigenden Ehegatten

Die gegenüber einem Polizeibeamten ungefragt fernmündlich abgegebene Sachverhaltsschilderung und die in Anwesenheit eines Polizeibeamten gegenüber dem Beschuldigten erfolgte Bezichtigung durch einen zur Zeugnisverweigerung berechtigten Angeörigen bleiben auch nach Gebrauchmachen des Angehörigen von dem Zeugnisverweigerungsrecht im Strafverfahren verwertbar (OLG Saarbrücken-NStZ 2008, 585 mit kritischer Anmerkung Mitsch ebd. 2009, 287 zu § 252 StPO).

Was ist eine Beleidigung?

Das Gesetz stellt zwar die Beleidigung unter Strafe, sagt aber nicht, was eine solche ist.

Die Bezeichnung eines Polizeibeamten als „Oberförster“ ist keine Beleidigung (AG Berlin-Tiergarten-NZV 2009, 254).

In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Bensheim wegen Beleidigung hatte das Gericht über die „Scheibenwischer-Geste“ und darüber zu befinden, ob die zu einem Kreis verbundenen Zeigefinger und Daumen eine Beleidigung darstellen. Der Strafantragsteller war der Auffassung, letzteres bedeute „A..loch“.
Zu einer Sachentscheidung kam es nicht, weil der Strafantragsteller zwar mächtig Wirbel verursacht hatte und der Angeklagte eigens aus Hannover anreisen mußte, er in der Hauptverhandlung aber durch Abwesenheit glänzte. Um nicht noch einmal wegen  eines weiteren Termins anreisen zu müssen, stimmte der Angeklagte der Verfahrenseinstellung gem. § 153 II StPO zu.

Urteilsentwurf vor den Schlussvorträgen und der Schlussberatung

Nach dem Schlussvortrag des Staatsanwaltes mußte der Kollege dringend weg, weswegen das Verfahren gegen seine Mandantin faktisch abgetrennt (ohne Beschluss) und gesondert, nämlich sofort, entschieden wurde. Das letzte Wort hatte die Angeklagte übrigens erst nach der Urteilsberatung und daran schloss sich auch nicht nochmals eine solche an. Danach kam noch der Schlussvortrag des weiteren Verteidigers und erneute Urteilsberatung. Der Vorsitzende fing dann zunächst ein Urteil an zu verkünden, das auf den Fall vor Abtrennung gepaßt hätte. Dies brach er mit der Erklärung ab, es sich schon „vorgeschrieben“ zu haben. Vorgeschrieben also vor den Schlussvorträgen der Verteidiger! Vorgeschrieben vor der Schlussberatung mit den Schöffen! Man reibt sich die Augen. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft rollte dieselben.

Nach der Bad Bank nun auch ein Bad OLG?

Das Bundesverfassungsgericht bescheinigt dem OLG Naumburg eine „krasse Mißdeutung des Inhalts der Norm (des § 2 StrRehaG), die auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht“ (2 BvR 718/08 vom 13.05.2009).

Nach dem Fall Görgülü scheint sich das OLG Naumburg allmählich zum Bad OLG Deutschlands zu entwickeln.

(siehe auch meine Beiträge vom 28.10.08, 29.10.08, 16.01.09 und 10.04.09)