Rechtswidriger „Vergleich“ im Strafprozeß: Raub statt Mord

Der Bundesgerichtshof hatte am 05.12.2008 über eine unzulässige Revision gegen ein Urteil des Landgerichts Darmstadt (Schwurgericht) zu entscheiden und hat obiter dicto angemerkt (2 StR 495/08): 

„Anklage und Eröffnungsbeschluss legten den Angeklagten einen gemeinschaftlich begangenen Mord zur Last. Das Landgericht hat in der  Hauptverhandlung Anlass gesehen, einen rechtlichen Hinweis auf die Möglichkeit des Vorliegens weiterer Mordmerkmale zu erteilen.

Nach den Feststellungen der Urteilsgründe war den Angeklagten bewusst, dass das von ihnen zur Durchführung des Raubs gefesselte und geknebelte Tatopfer ersticken konnte; „dies war ihnen aber gleichgültig, da sie sich einen zeitlichen Vorsprung verschaffen wollten“ (UA S. 7). 

Die Verurteilung nur wegen Raubs mit Todesfolge, bei fahrlässiger Verursachung des Todes, ist unverständlich und offensichtlich rechtsfehlerhaft. Sie beruht auf einer Verfahrensabsprache, deren Inhalt der Vorsitzende nach dem Protokoll der Hauptverhandlung wie folgt dargestellt hat:

„Vor Beginn der Hauptverhandlung fand ein Gespräch über eine vorzeitige Beendigung des Verfahrens statt.

Dies mag überraschen. Gleichwohl war dies bereits zu Beginn des Verfahrens angezeigt, weil die Aktenlage eine solche Vorgehensweise aufdrängte, dies im Hinblick auf die geständigen Einlassungen beider Angeklagter.

Unter Berücksichtigung dessen konnte zwischen allen Verfahrensbeteiligten und der Kammer die gebotene zügige Beendigung des Verfahrens ins Auge gefasst werden im Falle einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe gegen beide Angeklagte in Höhe von höchstens 12 Jahren und einer Unterbringung nach § 64 StGB, dies unter der Voraussetzung, dass sich beide Angeklagte des mittäterschaftlich begangenen Raubes mit Todesfolge gem. § 249, 250, 251 StGB schuldig gemacht haben.“

Im Anschluss an diese Erklärung des Vorsitzenden ließen die Angeklagten erklären:

„Wir sind mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden. Das Urteil ist schmerzhaft für uns, aber als Sühne für das von uns begangene Unrecht in dieser Höhe angemessen.“

Der Schuldspruch und der Rechtsfolgenausspruch von zwölf Jahren Freiheitsstrafe entsprachen den übereinstimmenden Anträgen von Staatsanwaltschaft, Verteidigern und Nebenklägervertreter.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Absprache, die auf einen „Vergleich“ über den Schuldspruch gerichtet ist, rechtswidrig und unzulässig (vgl. BGHSt 43, 195, 204; 50, 40, 50; BGH, Urt. vom 16. Juni 2005 – 3 StR 338/04, bei Becker NStZ-RR 2007, 2).

Eine im Einverständnis der Beteiligten getroffene Vereinbarung über die Verfahrenserledigung darf sich weder über das auch verfassungsrechtliche Gebot der umfassenden Wahrheitsermittlung noch über das Gebot gerechten Strafens hinwegsetzen. Geschieht dies – ggf. unter gleichfalls unzulässiger informeller Verabredung eines Rechtsmittelverzichts – gleichwohl, so sind solche Ergebnisse der Erfüllung der rechtsstaatlichen Aufgaben gleichmäßiger und gerechter Strafverfolgung abträglich und geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Strafjustiz zu erschüttern.

Vorliegend war nicht ersichtlich, welche Anliegen der Verfahrensökonomie es in dem tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall hätten nahelegen können, die zitierte Vereinbarung zu treffen. Die Einholung und Protokollierung von Erklärungen zum Rechtsmittelverzicht durch den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Nebenklagevertreterin, die Angeklagten und ihre Verteidiger war nicht nahe liegend.“

(Siehe auch meine Beiträge vom 18.02.2009 und vom 02.03.2009)

 

 

 

 

 

 

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