Archiv für den Monat: Februar 2009

Landgericht Bautzen: Verzicht auf Verfahrensrechte oder doppelte Strafe

 
Der Prozess gegen Sven G. aus Kamenz wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist geplatzt.

Aufgrund eines Todesfalles in der Familie eines Mitgliedes der Strafkammer musste der Prozess entgegen der gesetzlichen Regelung länger als drei Wochen unterbrochen werden. Heute sollte der Prozess dennoch unter Verzicht auf die Rüge der überlangen Unterbrechung mit einem Geständnis des Angeklagten fortgesetzt werden, der zwischenzeitlich etwa 20 Taten der Weitergabe von Haschisch an eine unter 18-jährige Person eingeräumt hatte. Pro Tat sieht das Gesetz eine Mindeststrafe von nicht unter einem Jahr vor . Für den Fall eines umfassenden Geständnisses stellte die Kammer dem Angeklagten eine Gesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten in Aussicht.

Der Angeklagte schlug das für ihn durchaus günstige Angebot aus. Der Prozess muss daher von vorne beginnen.

Der Vorsitzende der 1. Strafkammer gab dem Angeklagten zuvor deutlich zu verstehen, dass er in einem erneuten Prozess, auch unter Berücksichtigung seines Teilgeständnisses und bei gleichem Beweisergebnis wie bisher durch die Zeugenaussagen festgestellt, eher mit einer doppelt so hohen Strafe rechnen muss, da die Anzahl der festgestellten Straftaten um ein vielfaches höher festgestellt werden könnte, als die bisher von ihm selbst eingeräumten Taten.

Der Termin einer erneuten Hauptverhandlung wird nicht vor Mai 2009 festgesetzt werden können.

Im Verlaufe des Prozesses hatte der Angeklagte mehrfach die Gelegenheit sich durch ein Geständnis gemäß § 31 Betäubungsmittelgesetz Strafmilderung zu verdienen. § 31 BtMG sieht eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe vor, wenn der Täter durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beiträgt, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte.
Sein Teilgeständnis erfüllte die Voraussetzung des § 31 BtMG nicht, bestätigte jedoch seine Strafbarkeit. Weshalb der Angeklagte nun dennoch das Angebot der Strafkammer ausschlug, wird sein Geheimnis bleiben. 

Weiterführende Stichwörter hierzu wären: Sanktionsschere, Absprachen im Strafprozeß,  Befangenheit des Richters. Selten liest man unverblümter, wie wenig Verfahrensrechte wert sein können. Dem Kollegen Stefan Katzorke aus Chemnitz, der auf diese Pressemitteilung aufmerksam gemacht hat, sei Dank!

Zur nachträglichen Sicherungsverwahrung

Das Landgericht Augsburg hatte bei einem Vergewaltiger auf Antrag der Staatsanwaltschaft nachträglich die Sicherungsverwahrung, eine unbefristete und damit möglichweise lebenslange freiheitsentziehende Maßnahme, angeordnet. Der BGH hat dieses Urteil am 22.01.2009 aufgehoben (1 StR 618/08). Denn es war zwar im Strafvollzug zu Auseinandersetzungen mit Mithäftlingen und dazu gekommen, daß er in Briefen sexuelle Wünsche geäussert hat; dies rechtfertige jedoch nicht, gem § 66b StGB von seiner erheblichen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit und davon auszugehen, er werde mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten nach der Haftentlassung begehen.

Haftungsprivileg von Kindern im Straßenverkehr

Der BGH hatte das Haftungsprvileg verneint, als ein Kind mit einem Fahrrad gegen ein ordnungsgemäß geparktes Auto gefahren war. Im neu entschiedenen Fall war das Auto zwar auch ordnungsgemäß abgeparkt; allerdings war zur Straßenseite hin eine Autotür geöffnet, gegen die das Kind auf dem Fahrrad stieß. Hier hätten sich die typischen Gefahren des Verkehrs i.S.d. § 828 II BGB verwirklicht, weswegen das Kind für den am Auto entstandenen Schaden nicht zu haften habe (BGH-NZV 2009, 77).

Reparaturkostenersatz sofort bei repariertem Totalschaden

Betragen die Reparaturkosten maximal 130 % des Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Fahrzeuges darf totzdem repariert werden. Man muß sich nicht auf eine Abrechnung auf Totalschadensbasis verweisen lassen, auch wenn diese, gerade wenn noch ein nennenswerter Restwert abzuziehen ist, für den Versicherer des Unfallverursachers billiger ist.
Allerdings geht das nur, wenn man das Auto auch noch eine gewisse Zeit, nach der Rechtsprechung 6 Monate, weiter selbst benutzt. Die Versicherer wollten deshalb immer erst einmal auf Totalschadensbasis abrechnen und den Rest erst nach frühestens 6 Monaten zahlen, wenn belegt war, daß der Geschädigte das Auto noch hatte. Dem hat der BGH (NZV 2009, 73) jetzt einen Riegel vorgeschoben. Sobald repariert ist, wird sogleich auch der Ersatz der Reparaturkosten geschuldet, soweit diese nicht mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswertes betragen.

Freiheitsstrafe und Bewährung

Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr wird vom Gericht bei günstiger Sozialprognose zur Bewährung ausgesetzt. Bei Freiheitsstrafen zwischen einem und zwei Jahren ist für Bewährung ebenfalls eine günstige Sozialprognose erforderlich, außerdem „besondere Umstände“.
Solche können jedoch bereits bei einer positiven Änderung und Stabilisierung der Lebensverhältnisse oder sogar einem umfassenden Geständnis vorliegen.

Cannabis und Autofahrt

Der Betroffene hatte eine THC-Konzentration von 2,7 ng/ml. Objektiv verstieß er daher gegen § 24a StVG, als er mit dem Auto fuhr. Der Grenzwert liegt seit BVerfG -NJW 2005, 349 bei 1 ng/ml.
Das OLG Celle (NJW-Spezial 2009, 106) hat nun zur subjektiven Tatseite darauf hingewiesen, daß man die Wirkung des Cannabiskonsums aber auch erkannt haben muß oder hätte erkennen können. Daran könnten Zweifel bestehen, wenn seit dem Konsum 23 Stunden vergangen sind. Es bedürfe Feststellungen etwa zur konsumierten Menge, Qualität und zur Regelmäßigkeit des Konsums (OLG Celle-NZV 2009, 89).

BGH zu Schuldunfähigkeit und Unterbringung (LG Darmstadt)

 2 StR 565/08  

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 14. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

 

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen. Weiterlesen

Quod licet jovi, non licet bovi!

Ja, was dem Jupiter zusteht, darf der Stier noch lange nicht. Als Verteidiger beim Schöffengericht in Bensheim beantragte ich Verlegung eines nicht mit mir abgestimmten Termins, weil meine Frau ungefähr an diesem Tag unser zweites Kind bekommt. Ich bat darum, in einem Zeitraum von zwei Wochen nicht zu terminieren. Der Vorsitzende des Schöffengerichts lehnte den Antrag ab. „Beim besten Willen (könne er) keine Rücksicht auf die Beschäftigungsstrukturen in mittelständischen Kanzleien nehmen“.
Das ist die Art, wie manche in der Justiz meinen, mit dem Bürger oder einem unabhängigen Organ der Rechtspflege umspringen zu dürfen. Der Anwalt hat anzutanzen und mit den Gedanken ganz bei der Sache zu sein, während seine Frau im Krankenhaus liegt und ein Kind bekommt.
Gegen die Ablehnung ist Beschwerde eingelegt, die ausnahmsweise entgegen § 305 StPO zulässig ist und – hoffentlich – auch durchgeht. Auf die Entscheidungen OLG-Ffm-StV 2001, 157; OLG Nbg-StV 2005, 491 und BGH-NJW 2006, 278 wurde hingewiesen.

Strafverfahren wegen Körperverletzung vom Amtgericht Fürth eingestellt

Der junge Mann, ein Heranwachsender, war 4 Jahre mit dem Mädchen zusammen gewesen. Dann hatte sie „Schluss“ gemacht und in der Disco traf er sie mit ihrem „Neuen“, mit dem sie schon auffällig oft zusammen war, als noch nicht „Schluss“ war. Die Zur-Rede-Stellungen führen zu nichts, so daß er den „Neuen“ gegen die Brust stieß und versuchte, diesem das Knie in den Bauch zu drücken. Anschließend fuhr er mit einem Kumpel hinter der Exfreundin und dem Neuen her, wobei der Kumpel mit einer auch den anderen beiden bekannten Schreckschußpistole, herumballerte. Zu Schaden kam keiner.
Das Verfahren wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde in der heutigen Hauptverhandlung gegen Zahlung von 800 € an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Auch wenn der Strafrichter weit weniger Verständnis für einen eifersüchtigen jungen Mann aufbringen konnte, als Verteidiger und anscheinend auch altgedienter und erfahrener Oberamtsanwalt.

Neue Zugangsregelung im Anwaltsnotariat vom Bundestag beschlossen

Bereits vor fünf Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Regeln des Zugangs zum Anwaltsnotariat für verfassungswidrig erklärt. Notar wurde danach letztlich derjenige, der im zweiten Staatsexamen, das regelmäßig Jahrzehnte zurücklag, am besten abgeschnitten hatte. Notarspezifische Kenntnisse waren in Form von Fortbildungsveranstaltungen nachzuweisen, deren Umfang gedeckelt war.
Auf Initiative des Bundesrates ist nun gestern vom Bundestag die Neuregelung beschlossen worden.
Kernstück ist die notarielle Fachprüfung. Sie besteht aus sechs fünfstündigen Aufsichtsarbeiten, die zum Ergebnis 75 % beitragen, und einer mündlichen Prüfung, die 1/4 zählt. Bei der Besetzung von Notarstellen bleibt es bei einem Punktesystem. Die Fachprüfung zählt dabei 60 %, das Ergebnis des 2. Staatsexamens 40 %. Der Bewerber muß außerdem seit mindestens 5 Jahre Anwalt und seit drei Jahre n im Landgerichtsbezirk tätig sein.