Archiv für den Monat: Januar 2009

Opfer entscheidet über Verdächtigen II

Ich hatte am 9. Januar 2009 darüber berichtet, daß ein Psychiatrieinsasse an den Psychiatriemauern Graffiti hinterlassen hatte, von der Anstalt deswegen Strafantrag gestellt, von der Verteidigung ein Schuldfähigkeitsgutachten beantragt und dieses vor der Hauptverhandlung ausgerechnet von einer Assistenzärztin der Strafantragstellerin erstattet worden ist, allerdings ohne Explorationsgespräch und nur aufgrund der Vorbefunde, welches erwartungsgemäß zu dem Ergebnis kam, der Angeklagte sei voll schuldfähig gewesen. Zu der heutigen Hauptverhandlung war die Sachverständige dann doch noch geladen worden und ist wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Das Gericht sah dies anders mit der Begründung, man traue es einem Arzt zu, die Pflicht zur objektiven Begutachtung von der Tatsache, daß man selbst Geschädigter ist oder zumindest in dessen Lager steht, zu trennen.  Daß auf die Perspektive des Angeklagten abzustellen ist, war dem Gericht gleichgültig. Im Ergebnis wurde das Verfahren nach § 153a StPO (!) eingestellt, nachdem der Angeklagte den Schaden bereits wieder gut gemacht hatte.

Unfallflucht und nachlässige Nachsicht

Nach Unfällen im ruhenden Verkehr wird häufig nachgeschaut und hinterher angegeben, man habe am anderen Auto keinen Schaden feststellen können. Die Strafverfolger sind dann oft unnachgiebig und meinen, dann hätte man halt besser hinsehen sollen. Es liege jedenfalls bedingter Vorsatz vor.
Richtig ist das aber nicht. Wer nachsieht und dann aber nichts feststellen kann, z.B. deshalb, weil es an der Unfallstelle stockfinster war und man dummerweise nur am Heck des Unfallgegners nachgesehen hat, obwohl der verursachte Schaden an der Seite war, dann handelt man zwar (bewußt) fahrlässig; strafbar ist man jedoch nur, wenn man türmt, obwohl man einen Fremdschaden festgestellt hat, also vorsätzlich gehandelt hat.

Probeführerschein (§ 2a II StVG)

Die Probezeit dauert zwei Jahre. Werden in Flensburg wegen zwei leichter oder wegen eines schweren Verkehrsverstoßes Punkte eingetragen, ordnet die Führerscheinstelle die Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Die Probezeit verlängert sich um zwei Jahre.

Folgen hierauf erneut zwei leichte oder ein schwerer Verkehrsverstoß, erteilt sie eine Verwarnung und weist auf die Möglichkeit der Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung hin.

Folgen hierauf erneut zwei leichte oder ein schwerer Verkehrsverstoß, entzieht sie die Fahrerlaubnis.

Was eine schwerwiegende Zuwiderhandlung ist, regelt die Anlage 12 zu § 34 FeV verbindlich und abschließend. Darunter fällt z.B. bereits die Überschreitung der innerorts zugelassenen Geschwindigkeit von 50 km/h um 21 km/h.

Milderung der Strafe bei Affekttat

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß eine im Affekt begangene Tat, bei der die Steuerungsfähigkeit des Täters erheblich eingeschränkt war, grundsätzlich eine Strafmilderung nach sich zieht, es sei denn, der Täter konnte den Aufbau des Affektes verhindern und die Folgen desselben sind für ihn vorhersehbar gewesen. Zu dieser Annahme reicht nicht jedes vorangegangene Fehlverhalten des Täters, selbst wenn es zur Tat beigetragen hat. Im entschiedenen Fall hatte der Täter seine frühere Freundin schon vor ihrer Tötung verprügelt. Daher hatte die Strafkammer eine Strafmilderung wegen Affekttat abgelehnt und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil wurde aufgehoben (NJW 2009, 304).

Rücktritt vom Vorsitz des Anwaltvereins

Im Vorfeld zum heutigen Neujahrsempfang des Anwaltvereins Darmstadt und Südhessen e.V. gab es von Richtern heftige Kritik an meinen Beiträgen „Naumburg“ vom 16.01.09 und „Anwälte und Richter“ vom 25.10.08. Mir wurde angekündigt, „dieses Pamphlet“ werde mir heute im Kreise meiner Kollegen „unter die Nase“ gehalten und „laut“ gefragt, „ob das auch die Meinung des Anwaltvereins Darmstadt repräsentiert“.
Da dies nicht so ist und der Vereinsvorstand harmonisch mit der Richterschaft zusammenarbeiten will, habe ich das Vorsitzendenamt gestern zur Verfügung gestellt. Dies, obwohl ich, wie vielleicht gerade die beiden kritisierten Beiträge zeigen, ebenfalls an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Richterschaft interessiert war und bin. Fehlverhalten gibt es aber auch dort und muß benannt werden dürfen. Erst recht gilt dies für kriminelles Verhalten. Wenn ich dazu schweigen soll, habe ich den Beruf verfehlt. Die Vorwürfe gegenüber den OLG-Richtern in Naumburg erhebe ja im übrigen nicht nur ich (siehe z.B. nur Rolf Lamprecht im Januar-Heft von Myops (Beck-Verlag)). Solche Kritik richtet sich gegen einzelne schwarze Schafe in der Richterschaft, die ihr schaden. Dazu sollten auch Richter nicht schweigen oder erwarten, daß Anwälte es tun.

(Siehe hierzu auch den Kommentar von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Werner Siebers, Braunschweig, vom 23.01.2009, dessen Homepage ich in meine Linkliste aufgenommen habe)

Verkehrsopferhilfe

Die Versicherungswirtschaft trägt einen Verein, der eintritt, wenn ein Schaden verursacht wurde, für den eigentlich ein Versicherer haften müßte, aber nicht muß, weil der Verursacher unbekannt geblieben ist oder das Fahrzeug nicht versichert war.
Ersetzt wird aber nur in gravierenden Fällen Schmerzensgeld und Schäden z.B. an einem Gartenzaun oder einer Hausmauer, wobei ein Selbstbehalt von 500 € gilt. Nicht ersetzt werden Fahrzeugschäden, Abschleppkosten usw., um Mißbrauch zu vermeiden.

Unfall mit Auto des Arbeitgebers

Aus witterungsbedingt gegebenem Anlaß der Hinweis auf BAG-NJW 2003, 377.
Verursacht der Arbeitnehmer schuldhaft einen betrieblich veranlaßten Schaden, haftet er bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ganz, bei mittlerer Fahrlässigkeit zum Teil und bei geringer Fahrlässigkeit dem Arbeitgeber gar nicht. Wichtig ist aber, daß sich das Verschulden auch auf den Schadenseintritt als solchen beziehen muß!
Bei Unfällen auf glatter Straße wird dies meist nicht gegeben sein. Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers sind daher meist unberechtigt.

Revision im Zivilprozeß

Sie ist nur bei einer Sache von grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig (§ 543 II ZPO).
Hierzu der BGH:
In aller Regel hat die Allegeminheit an der Entscheidung eines gewöhnlichen Zivilrechtsstreits kein Interesse. Belange der Allgemeinheit werden auch dann nicht nachhaltig berührt, wenn dieser Streit unrichtig entschieden wurde. Daran ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn dem Gericht bei einer Einzelfallentscheidung schwerwiegende Rechtsfehler unterlaufen sind. Nicht offenkundige Fehler sind von vornherein nicht geeignet, daß Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung als Ganzes zu erschüttern. Erst ein Urteil, das zweifelsfrei objektiv gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt oder Verfahrensgrundrechte verletzt und darauf beruht, kann das Vertrauen in die Rechtsprechung insgesamt beschädigen (BGH XI ZR 71/02).
Hieran wird deutlich, daß die Rechtsordnung es hinnimmt, wenn Urteile falsch sind. Es muß schon ganz dicke kommen.

VHV in Hannover

Mandant wurde das Auto im Urlaub geklaut. Hatte aber eine Fahrzeugvollversicherung bei der VHV. Noch vom Urlaubsort den Versicherungsvertreter angerufen, der den Diebstahl bei der VHV gemeldet hat und die Polizei benachrichtigt. Im Auto waren auch die Pässe. Daher diese neu beantragt, ebenso ein Visum, weil Mandant ist ein in Deutschland lebender Türke. VHV schrieb ihn in Deutschland an und bat um sofortige Rücksendung der Schadensmeldung. Sie kündigte an, den Versicherungsschutz bei nicht unverzüglicher Rücksendung zu versagen. Mandant kam erst fünf Wochen später wieder nach Hause und schickte die Schadensmeldung dann sofort zurück. VHV lehnt die Entschädigung mit der Begründung ab: zu spät, man möchte ein „ätsch“ hinzufügen. Weiterlesen

Naumburg

To see him obviously framed
Couldn`t help but make me feel ashamed to live in a land
Where justice is a game.

Bob Dylan, Hurricane

Wie war das wohl im OLG am Domplatz 10, in der 30.000 Einwohner zählenden Stadt, als drei Richter des Strafsenates über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Halle zu entscheiden hatten, weil das Landgericht Halle die Anklage wegen des Verbrechens der Rechtsbeugung gegen drei Richter des Familiensenats desselben Gerichts nicht zugelassen hatte. In einem Gericht von familiärer Größe, mit nur 46 Richterstellen. Geht man da als Berichterstatter mal ins Nachbarzimmer, in dem einer der Weiterlesen