Archiv für den Monat: November 2008

Abruptes Abbremsen vor gelber Ampel erlaubt

Das Amtsgericht Hildesheim (NJW 2008, 3364) hat entschieden, daß selbst dann, wenn die Ampel gerade erst von grün auf gelb umgeschaltet hat, auch abruptes Abbremsen nicht gegen § 4 I 2 StVO verstößt. Dem Fahrer kann es auch egal sein, wenn hinter ihm Autos sind. Fährt das nächste auf, haftet er allein für alle entstehenden Schäden.

Handyverbot II

Womit sich die Justiz so beschäftigt, dank so toller Gesetze wie dem Handyverbot beim Autofahren (§ 23 I a StVO): Ein Autofahrer hatte das in einer Vorrichtung am Amaturenbrett befindliche Handy mittels sogn. „Headset“ über eine sogn. „Bluetooth“-Verbindung benutzt. Um besser zu verstehen, drückte er das „Headset“ mit einer Hand an das Ohr. In freier Auslegung der Verbotsvorschrift wurde er vom Amtsgericht sogar dafür zu 40 € und 1 Punkt in Flensburg verurteilt. Ein wenig Verständnis muß man für den Amtrichter ja haben, dafür, daß er den Überblick verliert. Angeblich lenkt Telefonieren im Auto ja ab und wenn man dann noch eine Hand an das Ohr nimmt, um das sogn. „Headset“ festzuhalten, wo ist da dann noch der Unterschied zum das-Handy-gleich-selbst-an-das-Ohr-halten?
Der Unterschied ist, daß es halt nicht das Handy selbst ist. Das verstehe wer will, aber so hat es der Gesetzgeber halt geregelt. Das OLG Stuttgart hat den Betroffenen freigesprochen (NJW 2008, 3369).

Verstoß gegen Handyverbot auch bei Nutzung als Navigationsgerät

Das OLG Köln (NJW 2008, 3368) hat entschieden, daß die Nutzung des Handys im Auto auch dann ein Verstoß gegen § 23 I a) StVO ist, wenn es nicht zum Telefonieren oder zum Versenden von SMS dient, sondern zum Navigieren. Das bedeutet 40 € und 1 Punkt in Flensburg. Hoffentlich ist es nicht genau der 18., mit dem „der Lappen“ weg ist.

Dadurch wird die gesetzliche Verbotsvorschrift immer absurder. Das mobile Navigationsgerät, das nicht in ein Handy integriert ist, zu bedienen, ist nicht verboten. Ebensowenig alle anderen ablenkenden Tätigkeiten, die man so während der Fahrt macht, wie sich sinnlos im Menü eines „I-Drive“ verirren, die CD im Handschuhfach auf der Beifahrerseite wechseln, die heruntergefallene Zigarette im Fußraum suchen, mittels Spurhalte- und Abstandsassistent sowie Tempomat mal kurz nach hinten klettern, um dort ein Nickerchen zu machen oder auf dem bequemen Rücksitz Akten lesen. Alles erlaubt, wenn nix passiert, zumindest aber nicht explizit verboten und mit Punkten in Flensburg bewehrt. So ein Quatsch!

Strafverteidiger und Gewissen

Dem Mandanten wird ein schwerer Raub vorgeworfen. Angezeigt hatte ihn die frühere Ehefrau. Eine Gegenüberstellung mit Tatzeugen hatte noch nicht stattgefunden. Weil auch die ehemalige Ehefrau ein Zeugnisverweigerungsrecht hat und man weder wissen kann, ob sie hiervon später nicht Gebrauch macht noch, ob er von den Zeugen identifiziert wird, wurde dem Mandaten empfohlen, zu den Vorwürfen zu schweigen.  Weiterlesen

Erheblich verminderte Schuldfähigkeit

Der BGH hat einmal mehr bekräftigt, daß selbst dann, wenn die Schuldfähigkeit, etwa durch übermässigen Alkoholgenuß, erheblich vermindert war, die Strafe nicht zwingend reduziert werden muß und schon gar nicht zwingend der Strafrahmen nach § 49 StGB verschoben werden muß. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Täter weiß, daß er z.B. zu Gewalt oder auch nur Aggressionen neigt, wenn er betrunken ist. Dadurch ist das Risiko für die Begehung von Straftaten für den Täter vorhersehbar erhöht, weswegen ihm eine Strafreduzierung aufgrund des Alkohols zu verwehren ist (BGH-NStZ 2008, 619).

Terminverlegungspflicht bei Verhinderung des Verteidigers

Die Terminbestimmung des Strafrichters ist sein ureigenes Recht. Er muß den Termin mit keinem Verfahrensbeteitigten abstimmen. Tut er es auch nicht und ist der Verteidiger wegen eines anderen Termins verhindert, muß er aber den Termin verlegen. Lehnt er dies ab, kann dagegen Beschwerde eingelegt werden, weil der Angeklagte unzulässig in seinem Recht beschränkt wird, sich seines Vertrauensverteidigers zu bedienen. Im Hinblick auf die inzwischen doch recht einhellige Rechtsprechung (aktuell: LG Braunschweig-StraFo 2008, 430) ist bei abgelehnter Terminsverlegung stets auch zu prüfen, ob nicht die Besorgnis der Befangenheit des Richters begründet ist.